Montag, 14. Oktober 2019

KOMPAKT: Risiko und Risikomanagement


KOMPAKT: Risiko und Risikomanagement

Risiko ist nicht eindeutig definiert. Die vielen Definitionen von Risiko aus verschiedenen sachverständigen Quellen weichen stark voneinander ab und sind nicht alle komplementär zueinander. Selbst innerhalb der Welt der ISO / IEC Normen mit Bezug zu Risiko gibt es verschiedene Definitionen. Die zwei Definitionen (1) und (2) kommen aus praktischen Risikomanagementprojekten in Unternehmen. Die dritte Definition (3) ist aus der Norm DIN ISO 31000:2018 „Risikomanagement - Leitlinien“, Unterabschnitt 3.1, zitiert. Die vierte Definition (4) ist aus dem Prüfungsstandard PS 981 von 2017 des IDW zitiert.

(1) Risiko ist ein zukünftiger, ungewisser Schaden / Verlust aus der Wirkung einer Gefahr auf einen Wert.
(2) Risiko ist ein ungewisser negativer Wertbeitrag zu einem zukünftigen Ergebnis.
(3) Risiko ... Auswirkung von Unsicherheit auf Ziele.
(4) Risiken ... mögliche künftige Entwicklungen oder Ereignisse, die zu einer für das Unternehmen negativen (Risiko im engeren Sinne) oder positiven (Chance) Zielabweichung führen können.

Die funktionsbezogene Definition (1) zeigt Risiko in einer Ursache - Folge Beziehung zwischen Gefahr und Schaden / Verlust. Die Definition ist für Risikomanagement nützlich. Wichtig ist der Wert als Mittelpunkt der Beziehung.
Die sachbezogene Definition (2) zeigt Risiko als eine Werteposition mit besonderen Eigenschaften. Die Definition ist für Risikobewertung nützlich. Wichtig ist der Wert als Thema (z. B. in ISO Normen: Qualität, Umwelt, Sicherheit, ...) und der Wert als Kategorie (z. B. in IDW Standards: strategischer, operativer, finanzieller Wert, ...).
Die ISO Definition (3) zeigt Risiko in Verbindung mit Zielen. Die Definition ist ein Beispiel für weitere Erklärungen und Beschreibungen ein- und desselben Sachverhalts.
Die IDW Definition (4) ist prosaisch eine Beschreibung der Ungewissheit der zukünftigen Entwicklung, wobei der IDW Begriff „Zielabweichung“ eine korrektere Beschreibung des Sachverhalts ist als der ISO Begriff „Ziel“.

Aus den Definitionen (1) bis (4) von Risiko ist der Schluss zu ziehen, dass in Unternehmen nicht nur positive Werte, sondern auch ungewisse negative Werte (Risiken) einer Verantwortung unterstehen. Das trifft auch für Risiken zu, deren Ursache (Gefahr) nicht in dem Unternehmen liegt, wohl aber deren Folge (Schaden / Verlust). Die Betrachtungen zu Risiko treffen auch für Organisationen zu, die keine (finanziell gewinnorientierten) Unternehmen sind. Alle Organisationen schaffen Werte für ihre Interessierten Parteien. Alle diese Werte sind Gefahren ausgesetzt.

(a) Die qualitative Art von Risiko wird durch die zugehörigen Werte festgelegt. So gibt es entsprechend (2) Wertethemen nach ISO Normen (z. B.: Qualität, Umwelt, Energie, ...) und entsprechend (4) Wertekategorien nach IDW Standard (z. B.: strategisch, operativ, finanziell, ...).
(b) Die quantitative Größe von Risiko wird durch zwei Parameter (Größe des Schadens [nach Eintritt des Schadensfalls] und Größe der Wahrscheinlichkeit [des Eintritts des Schadensfalls]) bemessen. Die graphische Visualisierung als Risikomatrix ist die vielzitierte (sh. google Bildsuche „Risikomatrix“) Ikone des Risikomanagements.

Risikomanagement ist (... ohne für Risikomanagement weitere ISO oder nicht-ISO Quellen zu zitieren ...) das Management von Risiko einer Organisation. Die Definitionen von Risiko mit Bezug zu Werten und Zielabweichungen legen es nahe, Risikomanagement als die Perspektive des Wertemanagements einer Organisation zu verstehen, die sich den möglichen, zukünftigen negativen Werten inhaltlich, strukturell und methodisch widmet. Risiken werden im Risikomanagement als Perspektive und Teil des Wertemanagements nach Art und Größe in Bezug auf die Werte gesteuert. Die wichtigste Frage ist die nach der Art (a) und der Größe (b) von Risiken, die eine Organisation eingehen will oder muss und die sie tragen kann. Abhängig von der Rechtsform der Organisation wird Risikomanagement aus gesetzlicher oder freiwilliger Verpflichtung gemacht.

Beispiel Qualitätsrisikomanagement: Hat ein Wertemanagement den Wert der Qualität (gemäß ISO 9000:2015 und ISO 9001:2015) zum Gegenstand, so ist das zugehörige Risikomanagement ein Qualitätsrisikomanagement. In der Norm DIN EN ISO 9001:2015 „Qualitätsmanagementsysteme - Anforderungen“ wird ein Qualitätsmanagementsystem mit integriertem Risikomanagementsystem durch Anforderungen beschrieben. Die Beschreibung und die Anforderungen an die Perspektive des Risikomanagements sind vage und unvollständig. So wird in der Norm häufig von „Behandlung von Risiken“ und „Umgang mit Risiken“ geschrieben und selten von Risikomanagement. In Einleitung und Anhang dieser Norm wird ein sogenanntes „Risikobasiertes Denken“ nicht gefordert sondern nur beschrieben, welches wiederum in den Normabschnitten nur ein einiges Mal explizit gefordert wird.
In der Norm DIN EN ISO 14001:2015 sind die Beschreibungen und die Anforderungen bezüglich Risiko nicht konsistent mit denen aus der Norm DIN EN ISO 9001:2015.
Diese Inkonsistenz und Inkonsequenz des Integrierten Risikomanagements in den aktuellen ISO Normen mit Anforderungen an Managementsysteme führte und führt zu Missverständnissen mir diesen Revisionen der ISO Normen und zu erheblichen individuellen Aufwand in Unternehmen, diese Thematik zu klären.

Beispiel Generisches Risikomanagement: Es gibt zahlreiche Konzepte zur Planung und Umsetzung von ebenso zahlreichen Risikomanagementsystemen mit verschiedener Zielsetzung in Unternehmen. Im Folgenden wird eine entsprechende ISO Norm kurz beschrieben. Die Norm DIN ISO 31000:2018 „Risikomanagement - Leitlinien“ beschreibt Strukturen und Abläufe eines generischen Risikomanagements. Es sind in der Norm keine Werte und damit keine Risiken vorgegeben. Es ist keine Form einer Organisation vorgegeben. Diese Norm hat eine völlig andere Struktur und eine völlig andere Zielsetzung als die ISO Normen mit Anforderungen an Managementsysteme. Die Norm stellt keine Anforderungen sondern gibt Empfehlungen und ist nicht zur Zertifizierung vorgesehen. Die Norm hat eine begleítende, methodische Norm DIN EN IEC 31010:2010 „Risikomanagement - Verfahren zur Risikobeurteilung“.
(i) Die Norm kann zur Integration eines Risikomanagements in ein Wertemanagement genutzt werden. Das erfordert Anpassungen an die konkreten Werte und an die individuelle Organisation.
(ii) Die Norm kann zur Einrichtung eines Unternehmensweiten Risikomanagements genutzt werden. Es bietet sich an, die relevanten definierten und Werte- bzw. die entsprechenden Risikokategorien aus (a) zu übernehmen und mit den Wertethemen zu verbinden.
(iii) Die Norm kann zum Verbesserung eines Projektrisikomanagements genutzt werden. Sie hat z. B. eine Empfehlung im „Aktionsplan Großprojekte“ (BMVI; 12.2015) der deutschen Bundesregierung.
(iv) Die Norm kann z. B. das Risikomanagement aus der Norm ISO 9001:2015 mit dem Risikomanagement nach dem IDW PS 981:2017 verknüpfen, und Risikomanagement in den zutreffenden großen Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft durchgängig von „oben nach unten“ und von „untern nach oben“ transparenter machen.

DIN ISO 31000:2018 Risikomanagement - Leitlinien: Eine Übersicht


Die Norm DIN ISO 31000:2018 Risikomanagement - Leitlinien beschreibt ein generisches und allgemeines Risikomanagement für Organisationen aller Art, für Risiken aller Art und für Situationen aller Art. Gegenüber der ersten Revision als ISO 31000:2009 wurde der Text knapper und prägnanter formuliert. Die neue Revision wurde vom DIN als nationale Norm übernommen.

Struktur und Inhalt: Die Norm DIN ISO 31000:2018 in Abschnitt ...
(0)     zeigt in der Einleitung ein Bild 1 als informative Übersicht über die Abschnitte (4), (5) und (6).
(1)     beschreibt den Anwendungsbereich.
(2)     nennt Normative Verweisungen auf andere ISO Normen.
(3)     definiert 9 Begriffe [z. B.: 3.1 Risiko ... Auswirkung von Unsicherheit auf Ziele].
(4)     nennt 6 Grundsätze [z. B.: c) integriert, e) maßgeschneidert].
(5)     beschreibt ein allgemeines Rahmenwerk für Risikomanagement.
(6)     beschreibt den generischen Prozess des Risikomanagements.

Fakten: Die Norm DIN ISO 31000:2018 ...
·        bringt eine andere Definition für Risiko, als die Norm ISO 9001:2015 oder die ISO 9000:2015.
·        hat sechs Abschnitte und keine zehn Abschnitte (wie etwa die Norm ISO 9001:2015).
·        stellt keine Anforderungen (kein „muss“), sondern gibt Leitlinien (ein „sollte“).
·        verweist nicht auf die Normen ISO 9001/14001/usw./:2015.
·        ist nicht zur Zertifizierung eines Risikomanagementsystems vorgesehen.
·        hat als Begleitung für Verfahren der Risikobeurteilung die Norm DIN EN 31010:2010.
·        ist keine „stand-alone“ Norm, sondern wird individuell integriert und adaptiert.
·        hat eine Empfehlung im „Aktionsplan Großprojekte“ (BMVI; 12.2015) der deutschen Bundesregierung.

Interpretationen: Die Norm DIN ISO 31000:2018 ...
·        beschreibt - ohne drastische Modifizierung und Anpassung - kein unternehmensweites Risikomanagement.
·        kann, da keine Anforderungen gestellt werden, nach Struktur und Inhalt modifiziert und angepasst werden.
·        macht - trotz Mangel an Vorgaben - eine Integration mit Normen ISO 9001/14001/usw./:2015 möglich.
·        ist - sh. Struktur und Inhalt - auf einer anderen Augenhöhe als die Normen ISO 9001/14001/usw./:2015.

Vorschläge zur Nutzung: Die Norm DIN ISO 31000:2018 ...
·        kann Grundlage für ein unternehmensweites Risikomanagement sein, was signifikante Anpassung der Inhalte bedeutet.
·        kann eine Brücke bauen zwischen einem Risikomanagement nach dem Prüfungsstandard der Wirtschaftsprüfer IDW PS 981:2017 „Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung von Risiko-Managementsystemen“ und dem „Umgang mit“ und der „Behandlung von“ von Risiken nach Normen mit Anforderungen an Managementsysteme wie ISO 9001/14001/usw./:2015
·        kann innerhalb eines Managementsystem nach ISO Anforderungen ISO 9001/14001/usw./:2015 als Integriertes Risikomanagementsystem betrieben werden.

Abschnitt 5 Rahmenwerk: Die Norm DIN ISO 31000:2018 ...
·        stellt die PDCA Regelung des Risikomanagementprozesses (Abschnitt 6) in einem Abschnitt mit mehreren Unterabschnitten dar, was z. B. in der ISO 9001:2015 für das Qualitätsmanagement über mehrere Abschnitte erfolgt.
·        stellt die Verantwortung der Obersten Leitung der Organisation für Risiko heraus.
·        erklärt die Integration des Risikomanagements in die Organisation zu einer Bedingung für den Betrieb eines Risikomanagements.
·        verweist auf die Rolle von Information, Kommunikation und Wissen (Industrie und Business 4.0).

Abschnitt 6 Prozess: Die Norm DIN ISO 31000:2018 ...
·        legt den klassischen, generischen und ikonischen Risikomanagementprozess fest.
·        gibt keine Vorgaben für Verfahren im Risikomanagement.
·        zeigt nicht, wie der Risikomanagementprozess mit dem (z. B.) Qualitätsmanagementprozess zu integrieren ist.