Im Rahmen eines Seminars für MINT Studenten an einer Hochschule über mathematische / geometrische Optik sollte der digitalen Visualisierung eine analoge Materialisierung des (einfach zu lösenden) Problems einer Koordinatentransformation in 3D gegenüber gestellt werden. Der algorithmischen App(likation) zum An(schauen) sollte durch einen mechanischen App(arat) zum An(fassen) und Be(greifen) ergänzt werden. Das Thema war und ist primitiv und in zig Textbüchern und in zig*zig Vorlesungen zum Thema Optik, Robotik und Quantenmechanik zig*zig*zig -fach abgearbeitet. Dabei spielen - und das ist das Interessante - Symmetriegruppen der in den Koordinatensystemen betrachteten 3D Objekte (eine Kugel hat eine andere Symmetriegruppe als ein Würfel hat eine andere Symmetriegruppe als ein Quader ...) eine Rolle. Es war nicht nur ein einfaches Thema aus dem Bereich MINT sondern auch ein Thema der Lern- und Lehrpsychologie ("analog" und / oder "digital"? Das ist hier die Frage!).
Die Anforderungen an die App(likation):
Graphische Darstellung eines 3D Körpers (z. B. ein allgemeiner Quader mit den Seitenlängen a < b < c in zueinander verschieden orientierten karthesischen 3D Koordinatensystemen. Visualisierung auf einem 2D- oder pseudo-3D Monitor mit und ohne Brille.
Die Realisierung mit der App(likation):
Die Aufgabe lässt sich einfachst mit Matlab, Mathematica oder ähnlichen symbolischen und numerischen Mathematikprogrammen realisieren. Es gibt auch Apps für iOS und Android, die das möglich machen. Ein paar triviale Rotationsmatrizen für Eulersche Winkel sind miteinander zu verknüpfen. Die graphische Anzeige / Ausgabe ist mit den Daten zu verknüpfen. Von ähnlichen, bereits existierenden Apps war zu lernen.
Die Anforderungen an den App(arat):
Mechanische Realisierung der Drehung um die drei Eulerschen Winkel (phi: 0 - 360 Grad, theta: 0 - 180 Grad und psi: 0 - 360 Grad) zur variablen 3D Ausrichtung des Strahls z. B. eines Kreuzlasers oder der optischen Achse einer klassischen optischen (analog oder digital) Kamera.
Die technische Realisierung des App(arat)s:
Der mechanische App(arat) sollte mit Arca Swiss kompatiblen Komponenten aufgebaut werden, um den Anschluß einer klassischen Kamera oder den Aufbau einer Laserdiode mit simplen snap-on Handgriffen zu ermöglichen. Für Demo- und Lernzwecke ist der App(arat) hinreichend.
Die theoretische Ausführung des App(arat)s:
Der mechanische App(arat) sollte auf 3D drei jeweils 90 Grad zueinander orientierten Vollkreis Rotationsplatformen aufbauen. Der Stator jeder Platform sollte einen Arca Swiss kompatiblen Keil haben. Der Rotor jeder Platform sollte einen Arca Swiss kompatiblen Schwalbenschwanz haben.
Die praktische Realisierung des App(arat)s:
Mit zwei Rotationsplatformen MENGS PAN-0 (0 - 360 Grad für die Winkel phi und psi) und einer dazwischen liegenden Neigerkomponente MENGS VH-10 (0 - 180 Grad für den Winkel theta) konnte der mechanische App(arat) aus Komponenten des chinesischen Vertreibers MENGS (Es gibt verschiedene chinesische Hersteller, Marken und Vertreiber funktionsähnlicher und funktionsgleicher Komponenten. Das Angebot ist nicht ganz einfach zu übersehen.) ohne irgendwelche mechanische Handwerksarbeit aufgebaut werden durch einmaliges und einfache Verbinden mit Arca Swiss kompatiblen Klemmen innerhalb ein paar Sekunden verbunden. Der Neiger MH-10 wird in einem Bündel mit einer Rotationsplatform PAN-0 verkauft. Eine zweite Rotationsplatform muss getrennt gekauft werden. Der Laser und die Kamera können einfach über eine Arca Swiss Keilplatte auf den Arca Swiss Schwalbenschwanz des Rotors der Rotationsplatform PAN-0 geklemmt werden.
Die "Qualität" des App(arat)s - bezogen auf Anforderungen:
Die Qualität der MENGS Komponenten:
Materialkern, Materialoberfläche, sowie die mechanische Verknüpfung der Komponenten über die Arca Swiss Kompatibilität sind für diesen Zweck (fein-)mechanisch ausreichend und gut.
Die Winkel-Skalen der Rotationsplatformen sind für diesen Zweck noch präzise genug:
Die zahlreichen Wasserwaagen der Rotationsplatformen sind mit grob geschätzten Gauss’schen Standard-Abweichungen von +/- 5 Grad ein Witz und ein fast unbrauchbares Spielzeug für jegliche Anwendung.
Eine Dokumentation der Komponenten wurde nicht mit geliefert. Abmessungen, Gewichte und Gewinde sind selten beschrieben.
Die Dokumentation der Händler im Internet ist noch ausreichend, insbesondere wenn Abbildungen vorhanden sind. Dennoch ist Phantasie gefragt, die Beschreibungen zu verstehen.
Der Hersteller / Distributor ist nicht klar identifiziert.
Der Vergleich mit einer Profi-Realisierung des App(arat)s:
Ein ähnlicher Aufbau mit Komponenten des Herstellers MELLES GRIOT für "professionelle" = "präzise" Anwendungen ist ungefähr 10 x so schwer, 10 x so präzise und mehr als 10 x so teuer. Der App(arat) mit den chinesischen Komponenten von MENGS für die Lehre wiegt 500 g und kostet ungefähr 80 € (bei ebay oder Amazon Händlern).
Der Lerneffekt und die Akzeptanz:
Wohl auch durch die Schwierigkeit, 3D Ergebnisse eines Algorithmus auf einem 2D- oder Pseudo 3D-Bildschirm / Monitor digital zu visualisieren, ist das 3D analoge Begreifen des materiellen App(arat)s und der einfachen Experimente mit z. B. einem Kreuzlaserstrahl oder z. B. einer klassischen Kamera von Vorteil. Es war für MINT Studenten durchaus interessant, die analogen 500 g solide Mechanik in die Hand nehmen zu können (haptisch be-greifen) und gleichzeitig das digitale Bild (optisch an-sehen) im Auge zu haben.
Fazit:
Digital ist durch nichts zu ersetzen ausser durch analog :-).
Ein Bild des App(arats):
Das Bild zeigt den Euler Winkel App(arat) mit einer Einstellung der Winkel phi = 30 Grad, theta = 45 Grad und psi = 60 Grad. Der Aufbau von Laser oder Kamera erfolgt auf dem Rotor der der Rotationsplatform PAN-0 im Bild oben. Das Bild zeigt auch, wie grob die Skala für den Winkel theta der Neigerkomponente VH-10 ist im Vergleich zu den Skalen der Rotationsplatformen PAN-0.
Die Beschaffung (Bezahlung) der Komponenten:
Die Hochschule weigerte sich zunächst, die ca. 80,-- € für die materiellen Komponenten zu übernehmen. Begründung: Es werde moderne digitale Technologie beschafft und keine alte analoge Technologie. Die Debatte mit Kaufleuten (Zitat: "... wir digitalisieren, dematerialisieren und deenergetisieren ...") konnte ich nur mit Hilfe der Aussagen zweier Ing.-Profs. für mich entscheiden. Der eine der Kollegen versprach der Beschaffungstelle der Hochschule, meinen Apparat mit Hilfe einen WLAN-Schnittstelle zu digitalisieren (... was haben wir gelacht !!!). So etwas Analoges mit Schnittstelle zum Digitalen zu machen gibt es schon im "digi-robot-lab" der Hochschule als Robotorarm eines einschlägigen Herstellers und dazu noch billiger als meine Lösung, da von der einschlägigen Industrie gestiftet. Ich habe die ca. 80.-- € nicht gestiftet.