Samstag, 29. Februar 2020

Risiko CORONA: Systematik (Südkorea) mit digitalem Virustracking






Natürlich reduziere ich Südkorea nicht auf das Arbeitsmerkmal (sh. einer der vorigen Blogbeiträge) der Improvisation beim Umgang mit dem CORONA Virus. Komplementär kommen so (uns historisch erscheinende) Tugenden, wie Kompetenz, Strukturiertheit, Fleiß und Geschwindigkeit zum Einsatz.

Korea setzt auf Medizin und Transparenz. In dem Land, wo es mehr Smartphones als Einwohner gibt, werden die Viren (genauer alle ihre infizierten und erkrankten Träger anonymisiert) rückwirkend digital getrackt. Eine Webseite macht zeit- und ortsauflösend die Anzahl der Träger öffentlich.

So zeigt der obige Screenshot das Zentrum des Ortsteil Guri (ca. 3 Mio. Einwohner) von Seoul in einer Kartenansicht. Unter anderem ist in dieser Ansicht die Information enthalten, daß in einem kleinen Krankenhaus in der Nähe der S-Bahnstation 17 Infizierte stationär isoliert sind. Die Webseite erlaubt zahlreiche Ansichten. Sie ist auch in englischer Sprache verfügbar.

Das Webprojekt registriert die gesamte örtliche und zeitliche Dynamik der Pandemie. Die Zahlen sind - noch - überschaubar, wie auch die Dichte der Punkte auf der Landkarte. Das Webprojekt schafft Transparenz und bewirkt mit der Information Verhaltensänderung der Menschen. Das Webprojekt zeigt, es wird etwas getan. Und das ist wichtig.

Am Rande dieses Projekts wurden natürlich Entscheidungen bezüglich persönlicher Daten und Informationen getroffen. Und nein, die Identität der Infizierten / Erkrankten bleibt verborgen. Und nein, man kann mit den Infizierten / Erkrankten nicht über dieses Projekt in Verbindung mit Hilfe von KakaoTalk treten. So viel Privatsphäre muss sein.



RKI zu CORONA: Semantische Unschärfe und quantitative Unvollständigkeit am 28.02.2020


Auf der Webseite des Robert Koch Instituts sind im Text der Mitteilung zur "Risikobewertung zu COVID-19" vom 28.02.2020 handwerkliche Mängel der Qualifizierung und der Quantifizierung von "Risiko" und "Gefahr" offensichtlich (sh. obiger Screenshot).

In der 1. gelb-markierten Hervorhebung erklärt das RKI, daß es "Risiko" "einschätzt".

In der 2. gelb-markierten Hervorhebung erklärt das RKI, daß es "Gefahr" "einschätzt".

Dazu folgende Kritik:


Den Autoren ist offenbar nicht geläufig, daß "Risiko" und "Gefahr" zwei verschiedene Sachen / Sachverhalte sind.


Die verbale Quantifizierung als "gering" bzw. "mäßig" ist ohne Angabe einer definierten Skala nichtssagend. Wie viel bitte ist "gering" bzw. "mäßig"?


Die obige Mitteilung des RKI ist weder (für Experten) fachlich und statistisch korrekt noch (für Nicht-Experten) informativ und verständlich. 


Risiko CORONA: Planung (Deutschland) vs. Improvisation (Südkorea)

An meine koreanischen Freunde!
(Ich weiß, dieser Beitrag ist pauschalierend und vereinfachend!)

Deutschland und Korea pflegen einen völlig verschiedenen Ansatz zum Umgang mit Risiken für das Kollektiv.

Wir Deutschen machen Planung mit einem Plan A und vielleicht einen Plan B. Ohne solche Pläne, die ein virtuelles Konstrukt sind, wird nicht gehandelt. Der Plan enthält eine (mehr oder weniger) kausale, logische und zeitliche Folge von Entscheidungen und Handlungen. Der Plan enthält eine Organisation von Verantwortung mit Rechten und Pflichten für Funktionen und deren vertretungsberechtigte Personen. Jedes „ICH“ erfährt, was es zu tun hat. Der Plan ist die Voraussetzung für das Tun. Der Plan ist bindend. Und das in einem organisatorischen System, das bürokratisch ausgeprägt ist.

In der Terminologie von Management arbeiten wir Deutschen (mehr oder weniger) nach P Plan - D Do - C / Check - A / Act unter Einhaltung der Reihenfolge des Acronyms PDCA. Darin sammeln sich alle Vorurteile eines "Managementsystems" alter ISO-Schule. 

Ihr Koreaner macht Improvisation (mehr oder weniger!) ohne explizite und offensichtliche Pläne aber mit der Verpflichtung zu einem impliziten Konsens. Dieses Konsensdenken und -handeln liegt in der Kultur der Gesllschaft begründet. Wir Deutschen denken und handeln aus dem „ICH“ heraus. Ihr Koreaner denkt und handelt aus dem „WIR“ heraus. Das „WIR“ bedeutet, daß es ausser der Person „ICH“ noch mindestens eine zweite Person geben muß, um zu einem „WIR“ zu einer Beziehung zu kommen. Ihr Koreaner entscheidet und handelt aus dem „WIR“ heraus. Getan wird das „Nächstliegende“, das „Offensichtliche“, das „Natürliche“ und das schnell, sehr schnell, extrem schnell. Und flexibel, selbst-korrigierend und selbst lernend. Etwas Falsches wird durch etwas Richtiges ersetzt. Es wird intensiv bobachtet, kommuniziert, beurteilt, entschieden und gehandelt. Es wird schnell kollektiver Konsens erreicht. Es wird gemeinsame Verantwortung geschaffen. Und das in einem organisatorischen System, das hierarchisch ausgeprägt ist.

In der Terminologie von Managemement arbeitet Ihr Koreaner (mehr oder weniger) nach O Observe - O Orient - D Decide - A Act mit Vorwärts- und Rückwärts- Loops im Acronym OODA. Darin steht die ständige Aufklärung zur Lagebeurteilung und die entsprechende Aufstellung der Organisation für ein Managementsystem mit hoher Flexibilität.

Es scheint ein Wettbewerb der Systeme zu sein: Planung in DE vs. Improvisation in KO.

Unter „chaotischen“ Zuständen von hoher Ungewissheit und drohenden Großschäden in „komplexen“ Systemen ist schnelle Improvisation oft von Vorteil gegenüber langsamer Planung. Solche Erfahrungen gründen sich auf Beobachtungen bei Naturkatastrophen.

Und nein, ich kann und will aufgrund der schlechten Informationslage über CORONA sowohl in Deutschland als auch in Korea nicht wertend vergleichen.

Risiko CORONA: „Wir sind gut vorbereitet!“ --- „Wirklich???“

Es ist ein Risiko, mit dem CORONA-Virus infiziert zu werden.

Die Komponente Verlust von Wert ist der Schaden an der Gesundheit eines Menschem als Folge einer Infektion. Das reicht von einer transienten / vorübergehenden Einschränkung (Erkrankung) bis zum permanenten / endgültigen Verlust (Tod) der Gesundheit.
Die Komponente Wahrscheinlichkeit ist was sie ist. Die statistische Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Infektion mit Erkrankung beziffert die Ungewissheit des Eintritts von Infektion, Erkrankung und Tod.

Die Perspektive auf das Risiko reichen von „individuell = ich“ über „lokal - regional - national = wir“ bis zu „global = alle“.

In diesem Monat Februar 2020 wurde über alle Medien auf allen Kanälen von Seiten der Politik und deren nachgeordneten Organisationen das Mantra „Wir sind bezüglich CORONA gut aufgestellt!“ verkündet.
Dabei fehlt das Entscheidende zu dieser Selbstbeurteilung: Nämlich das Szenario, auf welches sich dieses positive Mantra bezieht.
- Ist es das „best case“ Szenario einer geringen Anzahl von Infizierten oder Erkrankten, die begrenzt werden kann?
- Ist es das „worst case“ Szenario einer Pandemie mit einer hohen Anzahl von Infizierten, Erkrankten und Toten?

Ist dieses Szenario nicht illustriert, ist die die Aussage „Wir sind die vorbereitet!“ nicht begründet.

Das ist übrigens bei allen Risiken - nicht nur bei Gesundheitsrisiken durch den CORONA-Virus - der Fall: Eine Bewertung des Zustands der Fähigkeit, ein Risiko vor dem ungewissen Eintritt des zugehörigen Schadens ist an diesem möglichen Schaden zu messen.